Realisierungen endlich gestörter hexagonaler Dreieckspflasterungen durch Faltungsmuster
Niehenke, Björn; Plesken, Wilhelm (Thesis advisor); Niemeyer, Alice Catherine (Thesis advisor)
Aachen (2018, 2019)
Doktorarbeit
Dissertation, RWTH Aachen University, 2018
Kurzfassung
Die Disziplin des mathematischen Origami noch sehr jung. Dabei ist ein Großteil der Forschung auf die numerische Realisierung von Faltungen, auf das flache Auffalten beschränkter Flächen sowie auf die Beschreibung und Analyse der Faltvorgänge auf einem kleinen endlichen Bereich, wie zum Beispiel beim Single-Vertex-Fold, dem Falten um einen einzigen Punkt, konzentriert. Die vorliegende Arbeit dient dazu, den Blickwinkel zu erweitern: Wir werden versuchen, mithilfe algebraischer Methoden die globalen Struktur beliebig großer gefalteter Flächen zu analysieren, welche durch die Geometrie der jeweils zu faltenden Fläche vorgegeben wird. Um den ersten Schritt in diese Richtung zu gehen, schränken wir unser Problem ein: 1. Die vorgegebene Fläche soll jeweils durch gleichseitige Dreiecke gepflastert sein. 2. An ihren Eckpunkten stoßen in allen bis auf endlich vielen Fällen genau sechs Dreiecke zusammen. 3. Die Faltkanten müssen entlang der Kanten der Dreiecke verlaufen, sodass die Dreiecke selbst ungeknickt bleiben. 4. Es darf nur endlich viele Faltkanten geben. Das einfachste Beispiel einer solchen Fläche besitzt gar keine Faltkanten: Es ist die euklidische Ebene, die gemäß dem Eisensteingitter in gleichseitige Dreiecke zerlegt ist, sodass in jedem Eckpunkt genau sechs Dreiecke zusammenstoßen. Stoßen in einem Eckpunkt mehr oder weniger als sechs Dreiecke zusammen, so bezeichnen wir die Abweichung als einen Defekt, der an dieser Stelle von einer konischen Singulartität zeugt. So hat ein regelmäßiges Oktaeder in jeder seiner Ecken, den Defekt 2, weil hier immer genau vier gleichseitige Dreiecke zusammenstoßen. Diese Defekte sind lokale Störungen, die jedoch Auswirkungen auf die globale Struktur haben. Die Hauptaufgabe dieser Arbeit ist die Untersuchung durch gleichseitige Dreiecke gepflasterter Flächen, deren Defekte sich zu 0 aufsummieren, auf die Existenz durch Faltungen induzierter Realisierungen, welche der euklidischen Ebene in ihrer globalen Struktur und extrinsischen Geometrie möglichst nahekommen. Dafür sollen die großen zweidimensionalen Teilstücke der gefalteten Fläche, welche einen zweidimensionalen affinen Kegel enthalten, parallel zueinander sein. Diese Eigenschaft werden wir quasi-eben nennen. Die vorliegende Arbeit leistet einen ersten Schritt in Richtung der Klassifikation der quasi-ebenen Realisierungen einer gegebenen Fläche. Dabei modellieren wir die Fläche als simplizialen Flächenkomplex, die Realisierungen können wir hier zunächst in einer Zwischenstufe als abstrakte Faltungsmuster durch die Angabe einer Gewichtung der Kanten des zugrundeliegenden Graphen modellieren. Mithilfe von spherical mechanisms können wir die lokalen Bedingungen an die abstrakten Faltungsmuster aufstellen und diese schließlich mit dem Thomas-Algorithmus in einfache Systeme zerlegen. Mit diesen Methoden erhalten wir den Existenz-Satz für die quasi-ebenen Realisierungen zweifach gestörter simplizialer Flächen, deren Defekte sich zu 0 aufsummieren. Da die hier vorgestellten algebraischen Methoden nur eine sehr beschränkte Reichweite haben, reduzieren wir uns schließlich auf Realisierungen auf den Oberflächen von Tetraedern und Oktaedern in einer regelmäßigen Pflasterung des euklidischen Raumes, des TO-Gitters. In diesem diskreten Raum können wir die Realisierungen der ungestörten Fläche klassifizieren und das Zusammenspiel der Faltkanten durch eine einfache Grammatik beschreiben. Darauf aufbauend geben wir einen Algorithmus an, der für jeden gegebenen endlich gestörten simplizialen Flächenkomplexein Erzeugendensystem seiner quasi-ebenen TO-Realisierungen konstruiert. Die Arbeit erfolgt hier hauptsächlich auf der Ebene der abstrakten Faltungsmuster. Die Hauptidee hierbei ist, dass wir den regulären Fall im TO-Gitter überblicken und wir jeden endlich gestörten simplizialen Flächenkomplex zerlegen können in einen endlichen Teil, der alle Singularitäten in seinem Inneren enthält, und einen unendlichen Teil, welcher in seinem Inneren regulär ist. Alle TO-Realisierungen des endlichen Teils können wir kombinatorisch bestimmen. Auf dem unendlichen Teil überblicken wir die Grammatik der Faltkanten. Dadurch genügt es uns, mit Hilfe der Grammatik die Brücke zwischen den beiden Teilkomplexen zu schlagen. So können wir mit einem einfachen Parallelitätskriterium für Flächen im TO-Gitter alle Faltungsmuster klassifizieren, deren Realisierung quasi-eben ist, wenn sie existiert. Die Existenz lässt sich aber leicht durch Nachrechnen überprüfen.
Einrichtungen
- Fachgruppe Mathematik [110000]
- Lehrstuhl für Algebra und Darstellungstheorie [114410]
Identifikationsnummern
- DOI: 10.18154/RWTH-2019-00158
- RWTH PUBLICATIONS: RWTH-2019-00158