Invertieren als Fundamentale Idee der Mathematik : Stoffdidaktische Begründung der Fundamentalität und Anwendung als Analyseinstrument in der Stochastik

  • Inverting as a fundamental idea of mathematics : Justification of fundamentality in the tradition of subject matter didactics and application to analysing stochastic examples

Wiernicki-Krips, Tobias; Heitzer, Johanna (Thesis advisor); Cramer, Erhard (Thesis advisor)

Aachen : RWTH Aachen University (2021, 2022)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2021

Kurzfassung

Die Motivation für die Betrachtung der Idee des Invertierens ergibt sich für diese Arbeit aus den folgenden Beobachtungen: Erstens ist Invertieren ein bisher wenig beachteter Kandidat einer Fundamentalen Idee der Mathematik, obwohl in der Mathematik das Bestimmen eines Ausgangszustands bei bekanntem Prozess und Endzustand nicht nur bei Umkehrfunktionen ein oft wiederkehrendes Motiv ist. Dies steht im Gegensatz dazu, dass das Umkehren von Gedankengängen als mathematikdidaktisches Unterrichtsprinzip in Form von Umkehraufgaben mit unterschiedlichen didaktischen Zielsetzungen grundlegend, allgemein akzeptiert und lernpsychologisch gut begründet ist. Daraus entwickelte sich die nachstehende, für diese Dissertation im Vordergrund stehende Frage: Inwiefern ist Invertieren eine Fundamentale Idee der Mathematik? Zweitens wird in der Didaktik teilweise die unterrichtliche Relevanz Fundamentaler Ideen kritisch diskutiert. Diese Arbeit vertritt die Position, dass eine Orientierung des Unterrichts an Fundamentalen Ideen zu einem verstehens- und kompetenzorientierten Unterricht beiträgt. Drittens ist eine Beschäftigung mit der Idee des Invertierens insbesondere für die Stochastikdidaktik relevant: Denn zum einen finden sich in den wenigen Vorarbeiten zur Fundamentalen Idee des Invertierens keine Verknüpfungen mit Stochastikinhalten und zum anderen dominieren in der Stochastikdidaktik bisher Arbeiten zu stochastikspezifischen Fundamentalen Ideen. Die Vorgehensweise dieser Arbeit zur Behandlung der oben skizzierten Forschungsbedarfe und daraus resultierender Aufgabenstellungen ist wie folgt angelegt: Zunächst wird das zugrundeliegende Verständnis sowohl des Invertierens mathematischer Prozesse als auch einer Fundamentalen Idee dargelegt. Daran schließt die Beschreibung des Forschungsstands an, die im Wesentlichen aus einer Analyse vorhandener mathematikdidaktischer Ansätze zum Invertieren als Fundamentaler Idee besteht. Auf deren Grundlage wird der Neuigkeitswert der Arbeit im Hinblick auf Konzepte Fundamentaler Ideen deutlich. Anhand der Kriterien einer Fundamentalen Idee von Schubert u. Schwill wird im weiteren Verlauf insbesondere die Fundamentalität des Invertierens stoffdidaktisch begründet. Im Hinblick auf die unterrichtspraktische Relevanz hebt diese Arbeit drei Ziele mathematikdidaktischer Konzepte Fundamentaler Ideen in der Tradition von Bruner hervor: Aufbau von Begriffsverständnis, Vermittlung eines angemessenen Mathematikbildes und Anregung didaktischer Reflexionen. Anhand der zwei Stochastikbeispiele Wahrscheinlichkeitsverteilung einer Zufallsgröße sowie Quantile in Beschreibender Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung werden in didaktisch orientierten Sachanalysen Verknüpfungen mit der Idee des Invertierens herausgearbeitet. Beide Beispiele enthalten sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Erstsemesterstudierende unbekannte Aspekte des Invertierens. Die resultierenden Vorschläge für die Schule und Hochschule erwachsen nicht nur aus den Sachanalysen sondern ebenfalls aus den Erfahrungen aus jeweils zwei Workshops mit interessierten und leistungsstarken Schülerinnnen und Schülern der Oberstufe, die nahe an der Hochschulmathematik konzipiert waren. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit bestehen zum einen aus der Begründung der Fundamentalität der Idee des Invertierens. Dazu gehören auf der einen Seite die Sachanalysen, in welchen mathematischen Zusammenhängen und anhand welcher Prozesse Invertieren eine wichtige Rolle einnimmt. Diese beinhalten die Darstellung der Zusammenhänge u. a. mit den mathematischen Begriffen Umkehrfunktion, inverses Element, Umkehroperation, Urbild- und Quantilfunktion. Auf der anderen Seite wird z. B. anhand von Aufgabenbeispielen von der Primar- bis zur Oberstufe aufgezeigt, dass eine Behandlung der Idee des Invertierens in der Schule möglich ist. Den zweiten Schwerpunkt der Arbeit stellen die Analysen der Stochastikbeispiele in Bezug auf die Idee des Invertierens dar, aus denen sowohl Vorschläge für die Zugänglichkeit der Themen auf Schul- und Hochschulebene als auch forschungsbezogene Anregungen resultieren. Sie beziehen sich vor allem auf die für die Verteilung der Zufallsgröße zentrale Rolle der Urbildfunktion einer Zufallsgröße und auf die Quantilsbestimmungen anhand von Verteilungsfunktionen sowohl in der Beschreibenden Statistik als auch in der Wahrscheinlichkeitsrechnung.

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